Mein Interview auf überleben-als-übersetzer.de

Hier präsentiere ich euch mein Interview als eine der Mitautorinnen von “Überleben als Übersetzer” (von Miriam Neidhardt et al.). Darin spreche bzw. schreibe ich u. a. davon, wie ich zum Übersetzerberuf kam und was ich jungen Kolleginnen und Kollegen empfehlen würde. Ich wünsche euch eine aufregende Lektüre 🙂 Das Interview erschien ein paar Stunden zuvor auf https://www.überleben-als-übersetzer.de/ und wird hier wörtlich veröffentlicht:

Ilona ist Übersetzerin aus dem Russischen und manchmal auch aus dem Englischen ins Deutsche. Nach dem wirtschaftswissenschaftlichen Studium und einer Karriere in der Bildungs- und Wirtschaftsforschung besann sie sich wieder auf ihren ursprünglichen Berufswunsch – Übersetzen und Schreiben – und kam als Quereinsteigerin zum Übersetzen, Übersetzungsunterricht und anfangs noch zum Dolmetschen. Mittlerweile konzentriert sie sich aufs Übersetzen von Wirtschafts- und Rechtstexten sowie moderner Literatur. Außerdem unterrichtet sie, hält Vorträge und schreibt über das Übersetzen, das Projektmanagement und die Branche. Zu finden ist sie unter https://ilori-translations.com und in den gängigen sozialen Netzwerken.

Wie kamst du auf die Idee, Übersetzerin zu werden?

Ich glaube, ich wollte Übersetzerin werden, seit ich mit ca. 8 Jahren das Englisch-Lehrbuch meines Bruders entdeckt habe. Ich selbst hatte damals noch keinen Fremdsprachenunterricht an der Schule. Ich habe versucht, darin zu lesen und bildete mir ein, ich kann’s 😊 Vorher konnte ich zwar schon Estnisch (meine erste Muttersprache ist Russisch), aber das war für mich selbstverständlich, da ich in Estland eingeschult wurde. Estnisch betrachtete ich nicht als Fremdsprache.

Seit dem Englisch-Lehrbuch interessierte ich mich bewusst für Sprachen und diverse Codes (inkl. Morsecode und alte Schriften), was Sprachen ja auch sind. Auf dem direkten Wege hat es aber nicht funktioniert, Übersetzerin zu werden. Es gab einige Umwege. Letztendlich studierte ich Wirtschaftspädagogik in Köln und legte nach mehreren Jahren Berufserfahrung in der Wirtschafts- und Bildungsforschung die IHK-Übersetzerprüfung in Düsseldorf ab. Seitdem bin ich freiberufliche Übersetzerin und habe es keinen Tag bereut.

Wie hast du deine Spezialisierung gefunden und wie hast du dich dann in diesem Fachbereich spezialisiert?

Ich arbeite als Fachübersetzerin vorwiegend mit Wirtschaft- und Rechtstexten. Das ergab sich quasi automatisch, weil ich Wirtschaftswissenschaften studiert habe und dann einige Jahre in der Forschung und Politikberatung gearbeitet habe. Ich kann auch ganz gut Mathe 😉 Während des Studiums waren auch einige Juraveranstaltungen Pflicht, wofür ich im Nachhinein sehr dankbar bin. Aber auch von mir aus finde ich Rechtstexte spannend: Sie sind ja auch spezielle Kodierungen …😉

In meinem zweiten „Fachbereich“ – Literaturübersetzung – spezialisiere ich mich auf historische und moderne Romane, z. B. auch Krimis. Da hilft mir meine Leidenschaft fürs Lesen, für Gesetzestexte und für Psychologie. Und vermutlich die Lebenserfahrung 😉 …

Wie kamst du an deinen allerersten Auftrag?

An den ersten nennenswerten Auftrag kam ich über eine zukünftige Kollegin, die sich mit mir zusammen auf die IHK-Übersetzerprüfung vorbereitete: Sie hatte eine Anfrage bekommen, Präsentationen zu diversen technischen und betriebswirtschaftlichen Themen zu übersetzen und die dazugehörigen Vorträge auf einer unternehmensinternen Konferenz zu dolmetschen. Sie zweifelte, ob sie den Auftrag komplett annehmen sollte, da sie sich nach ihrer Aussage mit dem Wirtschaftswortschatz nicht besonders gut auskannte. Ich überzeugte sie, den gesamten Auftrag anzunehmen und die Übersetzung an mich outzusourcen. Das tat sie. Mit meinen Übersetzungen bereitete sie sich dann auf den Dolmetscheinsatz vor. Und ich verdiente einen nicht unerheblichen Betrag bei meinem ersten ernsthaften Auftrag. Dazu muss ich noch unbedingt mit euch teilen, dass ich immer geträumt habe, in einem hübschen Café zu sitzen und zu schreiben oder zu übersetzen. Das tat ich bei diesem Auftrag zum ersten Mal und fühlte mich sehr, sehr cool 😊

Arbeitest du vorwiegend mit Agenturen oder mit Direktkunden und hat sich das im Lauf der Zeit geändert?

Ich arbeite als Freiberuflerin eigentlich ausschließlich mit Direktkunden. (Gleichzeitig bin ich aber mit einer halben Stelle bei einer kleinen Übersetzungsagentur als Projektmanagerin und Übersetzerin angestellt.) Immer wieder bekomme ich Anfragen von Agenturen, liege aber wohl mit meinen Preisvorstellungen über dem Budget, denn zu einer Zusammenarbeit kommt es eher selten. Grundsätzlich habe ich aber überhaupt nichts dagegen, mit professionell agierenden Agenturen zu kooperieren, denn dabei gibt es einige Vorteile.

Was liebst du an deinem Job am meisten?
Alles! Ich bin tatsächlich glücklich mit diesem Beruf 😉 und kann mit voller Überzeugung behaupten, dass ich darin meine Berufung gefunden habe. Das war ein langer Umweg, bis ich dazu kam, aber jetzt bin ich beruflich zu Hause angekommen. Im Detail: Ich liebe die Abwechslung, die in jedem neuen Auftrag steckt, und die zwangsläufige Notwendigkeit, kontinuierlich etwas Neues zu lernen. Ich wollte schon immer beruflich schreiben – und genau das tue ich: Ich schreibe beim Übersetzen und über das Übersetzen. Und ich mochte schon immer etwas decodieren, was die anderen produzieren. Diese Aufgabe ist beim Übersetzen ständig zu bewältigen – sowohl beim Übersetzen von Verträgen als auch beim Übersetzen eines Krimis eines ukrainischen Autors, der seinen Roman persönlich aus dem Ukrainischen ins Russische umgeschrieben hat. Manchmal ist es wie Rätselraten. 😉

Was hasst du an deinem Job am meisten?
Eigentlich nichts. Ab und zu bin ich natürlich von irgendetwas genervt: Kolleg/innen, die nicht pünktlich liefern, Kunden, die vor 9 Uhr morgens und nach 17 Uhr abends oder am Wochenende anrufen und nicht verstehen, dass ich die Zeit lieber mit Familie verbringen möchte, als für sie zu übersetzen. Das ist aber schnell vergessen, wenn ich mal wieder ein spannendes neues Projekt ankündigt.

Was war dein bisher schönstes Übersetzungsprojekt?
Redigieren einer Übersetzung aus dem Russischen – ein interaktives Märchenbuch für Mädchen und ihre Mütter. Inklusive Übersetzung von Gedichten darin.

Auch die Übersetzung von zwei philosophischen Kurzgeschichten war etwas Besonderes.

Eigentlich ist jedes neue Buchprojekt, das ich anfange, auf seine Art und Weise unglaublich schön. Man könnte das mit dem Gefühl vergleichen, wenn man sich verliebt …

Welchen Tipp würdest du anfangenden Kolleginnen geben?

Spezialisiert euch auf Fachgebiete, von denen ihr richtig Ahnung habt und bei denen ihr Spaß habt. Dann fällt die jahrelange Beschäftigung mit diesem Thema auch leicht.

Bildet euch darin weiter – bis zum Expertenstatus. Dann kommen die Kunden fast von allein.

Versucht, aus allem, was ihr richtig gut wisst, etwas zu machen: Wenn ihr gut kochen oder stricken könnt, könnte das der Anfang einer großen Karriere als Kochbuch-Übersetzerin werden. Wenn ihr euch als Frau ausnahmsweise für Fußball interessiert, dann schreibt das auf eure Internetseite! 😉

Wie hast du es geschafft, dir ein berufliches Netzwerk (zu Firmen, aber auch zu Kollegen) aufzubauen?

Seminare, Konferenzen, Unterricht, Webseite. Ich reagiere auf Anfragen von Kollegen und Kolleginnen und berate gern, wenn jemand Fragen hat. Ich kommuniziere grundsätzlich sehr gerne.

Welchen Tipp hast du für die erfolgreiche Kundenakquise?

Eigene Website erstellen und aktiv pflegen inkl. SEO. Präsent sein – da, wo Kunden und Kollegen sind. Darüber sprechen, was man tut und dass man es gerne tut.

Was würdest du an deiner Ausbildung/an deinem Werdegang heute anders machen, wenn du könntest?
Ich würde Finnisch lernen (Grüße an Miriam 😉). Im Ernst: Ich hätte mein Estnisch pflegen sollen und Finnisch noch dazunehmen sollen. Mit Russisch habe ich zwar genug Kunden, aber ich hätte gerne noch eine andere, exotischere Sprache, um mit einem Kulturkreis in Berührung zu kommen, der neue Horizonte eröffnet.

Was war deine bisher beste Anschaffung?

Oh, da gibt es so vieles: meine eigenen Domains, Auftragsverwaltungssoftware, CAT-Tools.

Wie hältst du dich auch als alter Hase auf dem Laufenden?

Ich liebe Podcasts und Audiobooks! Es gibt keine bessere Möglichkeit, sich auf dem Laufenden zu halten bzw. weiterzubilden, während man mit dem Hund spazieren geht, Auto fährt oder Sport macht.

Außerdem lese ich aktiv in Facebook-Gruppen mit und schreibe ab und an etwas da rein. Ich lese Blogs, schaue mir Youtube-Videos von Übersetzervorträgen auf Konferenzen an, an denen ich nicht persönlich teilnehmen konnte. Ich gehe aber sehr gern auch zu Konferenzen, Stammtischen und Seminaren. Dort erfährt man neutrale und weniger neutrale Meinungen aber auch Fakten aus der Übersetzerwelt.

Welche Bücher und/oder Veranstaltungen kannst du empfehlen?

Bücher:

  • „Überleben als Übersetzer“ von Miriam Neidhardt et al.
  • „Positionierung als freiberuflicher Übersetzer“ von Ricarda Essrich
  • „How to Succeed as a Freelance Translator“ von Corinne McKay

Blogs/Podcasts:

Veranstaltungen:

Fachkonferenzen und Seminare für Übersetzer und Experten